Die Limousine im Überblick

Im März 1991 debütiert auf dem Genfer Automobil-Salon die jüngste Generation der S-Klasse (Baureihe W 140). Das Karosserie-Design orientiert sich an den traditionellen Mercedes-Benz typischen Stilelementen und fügt sich damit nahtlos in die homogene Formgestaltung der Pkw-Modellfamilie ein. Wie bereits bei den SL-Typen der Baureihe R 129 wird auch im Fall der neuen S-Klasse die Kühlermaske als charakteristisches Markenzeichen unter Beibehaltung der traditionellen Grundform stilistisch neu interpretiert. Bei dieser als „Plakettenkühler“ bezeichneten Variation eines klassischen Themas ist die Kühlerverkleidung mit ihrem wesentlich schmaleren Chromrahmen organisch in die Motorhaube integriert; der Mercedes-Stern sitzt erstmals nicht mehr auf der Kühlermaske, sondern leicht nach hinten versetzt auf der Motorhaube. Insgesamt zielte die Entwicklung des Gestaltungskonzepts der neuen S-Klasse-Generation darauf ab, ein hohes Maß an aerodynamischer Qualität bei gleichzeitiger Berücksichtigung maximaler Alltagstauglichkeit zu realisieren.

Wie bei den Vorgängermodellen der Baureihe W 126 und Generationen von Mercedes-Benz Oberklasse-Baureihen zuvor gibt es neben der normalen Ausführung eine Variante mit verlängertem Radstand, wobei die Verlängerung von 100 Millimetern wiederum ausschließlich der Beinfreiheit im Fond zugute kommt.
 

Aerodynamik

Gegenüber der Baureihe W126 werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um den cw-Wert noch einmal deutlich zu reduzieren. Zu den Maßnahmen zählen beispielsweise die nach hinten geneigte Frontpartie, der größere Radius beim Übergang von Kühlermaske zur Motorhaubenfläche, eine etwas flacher geneigte Windschutzscheibe, bündige Seitenscheiben, Außenspiegel mit integrierter Auffangrinne für Schmutzwasser, großflächige Radzierblenden und Leichtmetallfelgen, ein geringerer Vorderachsauftrieb zur Verminderung der Seitenwindempfindlichkeit und eine glattflächige Gestaltung des Unterbodens.
 

Das silberne Fahrzeug ist der S 320 lang, der sich als der "letzte W140" im Bestand des Classic Centers befindet. Die Aufnahmen mit diesem Auto sind im März 2013 entstanden.


Durch diese Maßnahmen gelingt es, den cw-Wert noch einmal um 16,4 Prozent zu verringern und somit einen neuen Spitzenwert in dieser Fahrzeugklasse zu schaffen. Obwohl die Stirnfläche um 12,2 Prozent gegenüber dem Vorgänger zunimmt und so ebenfalls einen neuen Spitzenwert im Vergleichssegment darstellt, gelingt es in Verbindung mit dem drastisch reduzierten cw-Wert, den bis dahin günstigsten Gesamtwiderstandswert aller S-Klassen seit der „Ponton“-Baureihe W 180 zu erreichen. Diesen unterbietet die Baureihe W 140 um 26,8 Prozent, gegenüber der legendären Vorgängerbaureihe W 126 sind es 16,4 Prozent. Besonders erstaunlich wirkt diese Tatsache vor dem Hintergrund der imposanten Gesamterscheinung des Fahrzeugs.
 

Typ

cw

A (m²)

cw × A

300 SE 2.8 (W 140)

0,30

2,39

0,717

Gemessen mit Kühlluftdurchströmung.


Die Motoren

Auf der Motorseite stehen für den Inlandsmarkt zunächst vier Aggregate zur Verfügung, von denen nur der 5,0-Liter-V8-Vierventiler M 119 ein alter Bekannter ist. Zum Einsatz kommt hier, wie im Typ 500 E der Baureihe W 124, der so genannte „Einheitsdeck-Motor“, dessen vollelektronische Einspritzanlage Bosch „LH-Jetronic“ über einen Hitzdraht-Luftmassenmesser gesteuert wird. Die anderen drei Motoren sind neu entwickelt: Der 4,2-Liter-Vierventil-V8 entsteht nach dem Vorbild des 5,0-Liter-Triebwerks aus dem bewährten 4,2-Liter-Zweiventiler, und der Sechszylinder-Reihenmotor mit 3,2-Liter Hubraum basiert auf dem zwei Jahre zuvor eingeführten 3,0-Liter-Vierventiler. Als interessantes Detail am Rande sei vermerkt, dass die Typenbezeichnung der 3,2-Liter- und 4,2-Liter-Modelle nicht, wie sonst üblich, den Hubraum exakt widerspiegelt: Aus Gründen der Homogenität werden stattdessen die Bezeichnungen 300 SE/SEL und 400 SE/SEL gewählt.

Der Zwölfzylinder

Eine völlige Neukonstruktion ist der 6,0-Liter-V12-Motor M 120, nicht nur der erste serienmäßig produzierte Pkw-Zwölfzylinder von Mercedes-Benz, sondern mit einer Nennleistung von 300 kW (408 PS) zugleich der damals leistungsstärkste Mercedes-Benz Pkw-Motor. Das Nenndrehmoment beträgt 580 Newtonmeter und überschreitet schon bei 1600/min die 500-Newtonmeter-Marke. Wie der Sechszylinder und die beiden V8-Motoren ist auch der Zwölfzylinder mit Vierventiltechnik, im Betrieb verstellbaren Einlass-Nockenwellen sowie elektronischer Einspritzanlage mit Hitzdraht-Luftmassenmessung ausgerüstet. Bei allen Motoren steht die Minimierung der Schadstoffemissionen und des Kraftstoffverbrauchs im Vordergrund. Die neue vollelektronische Zündung berechnet aus insgesamt 300 Zündkennfeldern den optimalen Zündzeitpunkt, und zwar für jeden Zylinder einzeln und an die Klopfgrenze angepasst. Weltweit als einziger Zwölfzylinder hat der M 120 diese Zylinderselektive Antiklopfregelung. Nur damit ist die für eine optimale Kraftstoffausnutzung erforderliche hohe Verdichtung von 10:1 möglich.

Völlig neuartig ist auch das Motor- und Antriebsmanagement, bei dem alle Steuermodule über einen gemeinsamen Datenkanal miteinander kommunizieren. Damit können die Steuergeräte gemeinsam aktiv werden. Dies wird unter anderem zum schnellen Aufheizen der Katalysatoren nach dem Kaltstart des Motors benutzt, außerdem zur Antriebs-Schlupf-Regelung und zur neuen Motor-Schleppmoment-Regelung, welche die Fahrstabilität bei Gaswegnahme auf glatter Fahrbahn sicherstellt.

Der V12 bietet die weltweit größte Katalysator-Anlage für Personenwagen. Sie hat sieben Liter Volumen, damit aufgrund des Katalysators kein Kraftstoffmehrverbrauch auftritt und eine hohe Langzeitstabilität gewährleistet ist. Durch ein neuartiges Konzept doppelwandiger und dreischichtig isolierter Auspuffkrümmer und ebenfalls doppelwandiger Zuleitungen erreichen die in einer wärmeisolierenden Quellmatte eingebetteten Keramik-Katalysatoren in extrem kurzer Zeit die optimale Betriebstemperatur.

Umweltfreundlichkeit

Neben der Abgasoptimierung und -reduzierung finden sich in der Baureihe W 140 weitere Details, die sie zum Wegbereiter einer umweltgerechten Automobilfertigung machen. Sie läutete das Zeitalter der FCKW-freien (Fluorkohlenwasserstoff) Automobile ein und setzt Zeichen in punkto Recycling: Die verwendeten Kunststoffbauteile sind nicht nur wieder verwertbar und eindeutig gekennzeichnet, sondern darüber hinaus bereits vielfach unter Verwendung von Regranulat hergestellt. Im Jahr 1992 erhält die Baureihe W 140 den Umweltpreis der US-amerikanischen „Environmental Protection Agency“, den „Stratospheric Ozone Protection Award“.

Abgesehen von der Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Optimierung der Umweltverträglichkeit steht bei der Entwicklung der Baureihe W 140 vor allem eine weitere Perfektionierung von Komfort und Sicherheit im Vordergrund. Neben vielen anderen Faktoren spielt diesbezüglich insbesondere die sorgfältige Konzeption und Abstimmung des Fahrwerks eine Rolle. Als Vorderradaufhängung fungiert eine neu entwickelte Doppelquerlenker-Vorderachse, die mit ihren wesentlichen Krafteinleitungspunkten auf einem Fahrschemel montiert ist, um eine Entkoppelung der Karosserie von hör- und spürbaren Schwingungen zu erzielen. Die Hinterradaufhängung wird von der Raumlenkerachse der anderen Pkw-Baureihen abgeleitet, hinsichtlich der Radführung jedoch grundlegend überarbeitet und entsprechend den besonderen Anforderungen der S-Klasse modifiziert. Unter Berücksichtigung der deutlich höheren Längs- und Querkräfte wird die Lenkergeometrie neu ausgelegt; bemerkenswert ist die gekreuzte Ausführung der oberen Lenker, wodurch der Achsbauraum trotz großer Pendellänge klein gehalten werden kann.

In punkto aktiver Sicherheit zeichnen sich die S-Klasse-Limousinen der Baureihe W 140 durch außergewöhnlich guten Geradeauslauf auch auf unebener Straße, durch geringe Seitenwindempfindlichkeit, durch eine präzise arbeitende Lenkung sowie die weitgehende Unempfindlichkeit des Fahrverhaltens bei unterschiedlicher Beladung aus. Eine grundlegende Neuerung stellt das Bremssystem der Achtzylinder- und Zwölfzylindermodelle dar, bei dem mehr Bremskraft auf die hinteren Räder verlegt ist. Dadurch kann die Standfestigkeit der Bremsanlage erhöht und der Verschleiß an den Vorderradbremsen verringert werden.

Hoher Fahrkomfort

Der Fahrkomfort der Baureihe W 140 ist noch einmal deutlich erhöht. Die auf den Fahrgastraum übertragenen Abrollgeräusche und –schwingungen sind weitgehend reduziert, die Nickbewegungen beim Anfahren und Bremsen minimiert, die Roll- und Wankbewegungen bei Kurvenfahrten oder unebener Fahrbahn reduziert, die Lenkung ist nahezu stoßunempfindlich. Bei den Achtzylinder- und Zwölfzylinder-Varianten kommt serienmäßig eine so genannte „Parameterlenkung“ mit geschwindigkeitsabhängigem Lenkmoment zum Einsatz, welche die vom Fahrer aufzubringenden Lenkkräfte bei langsamer Fahrt reduziert, beispielsweise beim Einparken.

Der bereits bei der Vorgängerbaureihe erreichte hohe Sicherheitsstandard kann aufgrund zahlreicher Maßnahmen nochmals deutlich verbessert werden. Beispielsweise bietet die neue Karosseriestruktur bei allen Unfallarten noch mehr Sicherheit. Durch eine Reihe von Detaillösungen zur Entschärfung potentieller Kontaktstellen wird auch dem Partnerschutz verstärkt Rechnung getragen.

Einen wesentlichen Beitrag zur Komfortverbesserung leisten außerdem die erstmals in einer Pkw-Baureihe eingesetzten Isolierglasscheiben, die eine ganze Reihe sicherheits- und komfortrelevanter Attribute in sich vereinigen: Vermeidung von Beschlag- und Vereisungsneigung sowie Kondenswasserbildung, erhöhte Wärmeisolierung, erhöhte Dämmung gegen äußere Geräuschquellen, bessere äußere Luftumströmung und Unterbindung von Windgeräuschen an den Fensterabdichtungen.

Zwei weitere Konstruktionsdetails – abklappbare Außenspiegel und ausfahrbare Peilstäbe als Rückfahrhilfe – erleichtern dem Fahrer das Manövrieren bei engen und unübersichtlichen Platzverhältnissen. Das elektromotorisch angetriebene Abklappen der Außenspiegel nach hinten, zum Raumgewinn beim Rangieren in beengten Situationen, erfolgt durch den zentral angeordneten Schalter auf der Mittelkonsole, mit dem auch das gewohnte Verstellen der Spiegelgläser betätigt wird. Um bei rückwärtsgerichteten Rangiermanövern den Abstand zu Hindernissen besser abschätzen zu können, sind im Fahrzeugheck rechts und links in den Kotflügeln ausfahrbare Peilstäbe eingebaut. Die 65 Millimeter langen verchromten Stäbe werden zwei Sekunden nach Einlegen des Rückwärtsgangs pneumatisch in vertikaler Richtung ausgefahren, und acht Sekunden nach dem erneuten Gangwechsel wieder eingefahren.

Diesel für Europa

Im Oktober 1992 werden auf dem Pariser Autosalon die Typen 300 SE 2.8 und 300 SD Turbodiesel vorgestellt, die das Programm der S-Klasse um zwei preisgünstigere und besonders sparsame Varianten bereichern. Für Aufsehen sorgte der 300 SD, der zwar bereits seit Oktober 1991 in die USA exportiert wird, nun aber als erstes S-Klasse-Dieselmodell auch in Europa erhältlich ist. Angetrieben wird der 300 SD von einem 3,5-Liter-Sechszylinder mit Abgas-Turbolader, der prinzipiell bereits vom Vorgängermodell der Baureihe W 126 bekannt ist, nun aber in einer überarbeiteten Version mit 110 kW (150 PS) zum Einsatz kommt. Die zweite Neuvorstellung, der 300 SE 2.8, bietet wie der 300 SE einen Sechszylinder-Reihenmotor mit Vierventiltechnik, der ebenfalls der Motorenfamilie M 104 zugeordnet ist. Die neu entwickelte 2,8-Liter-Variante wird vom gleichen Zeitpunkt an auch in der Baureihe W 124 verwendet und ist mit einer mikroprozessorgesteuerten Einspritzanlage ausgerüstet, die nicht mehr von einem Hitzdraht-, sondern einem Heißfilm-Luftmassenmesser gesteuert wird. Außer den beiden neuen Modellen werden in Paris die Achtzylinder- und Zwölfzylindertypen mit überarbeiteten Motoren präsentiert. Bei allen drei Aggregaten verzichtet man auf die Gemischanreicherung bei Volllast, was geringfügige Leistungseinbußen zur Folge hat, aber dem Schadstoffverhalten zugute kommt.
 

Sonderschutz-Fahrzeuge


Traditionsgemäß werden die Limousinen der S-Klasse auch in Sonderschutz-Ausführung angeboten; zur Wahl stehen die Modelle mit 5,0-l-V8- und mit 6,0-l-V12-Motor
. Die Produktion beider Sonderschutz-Typen beginnt im Februar 1992, ein Jahr nach Hauptserienanlauf der Baureihe 140.

Neu ist bei den gepanzerten Serienlimousinen der Baureihe 140 mit langem Radstand, dass eine Schutzklasse nach Euro-Norm angegeben ist: Die Angabe B6+ (nach der Modellpflege 1994 B6/B7) bezeichnet eine Schutzwirkung nach den höchsten Klassen für Sonderschutz-Personenwagen. Solche Fahrzeuge sind zur Abwehr von Terroranschlägen und anderen Attentaten entwickelt. Sie widerstehen Gewehrkugeln aus militärischen Waffen und bieten Schutz gegen Splitter von Handgranaten sowie Sprengsätzen. Die Schutzklasse B6/B7 bezeichnet Fahrzeuge, die grundsätzlich die Anforderungen der Panzerung nach B6 (Gewehrgeschosse Kaliber 7,62x51) erfüllen, dazu aber an besonders exponierten Stellen noch stärker gepanzert sind, um laut B7 sogar Hartkern-Geschosse des gleichen Kalibers zu stoppen. Die Ingenieure stecken bei der Entwicklung dieses Wagens viel Detailarbeit auch in das Fahrwerk, so werden die Bremsen verstärkt und speziell geschmiedete Querlenker verbaut. Das erlaubt deutlich höhere Maximalgeschwindigkeiten als bei den früheren Sonderschutz-Fahrzeugen: Die gepanzerten S 500 und S 600 kommen auf 210 km/h (serienmäßig bei 250 km/h abgeregelt).


Im Juni 1993 werden die Typenbezeichnungen, analog zu den anderen Baureihen des Pkw-Programms, geändert; das „S“ ist nun der dreistelligen Zahl vorangestellt, und Zusätze wie „E“, „D“ und „L“ entfallen. Der 500 SE beispielsweise wird zum S 500, und der 600 SEL heißt nach dem neuen Nomenklatur-System S 600 lang. Das Typenschild auf dem Kofferraumdeckel dokumentiert seither lediglich Klassenzugehörigkeit und Hubraum; die, zumindest beim zweiten Hinschauen, ohnehin ersichtliche Karosserievariante (normaler oder langer Radstand) ist nicht mehr angegeben. Am deutlichsten ändern sich die Typenbezeichnungen der 4,2-Liter-Typen und der Sechszylindermodelle. Anstelle der bisherigen Zahlen, die zugunsten eines einheitlichen Erscheinungsbildes auf ganze Hunderter gerundet sind, werden nun die dem tatsächlichen Hubraum entsprechenden Zahlen verwendet. So wird zum Beispiel aus dem 300 SE der S 320 und aus dem 300 SD der S 350 Turbodiesel. Außer diesen rein formalen Änderungen kommen den beiden 3,2-Liter-Modellen auch technische Verbesserungen zugute; der bisher verwendete Motor wird durch eine überarbeitete Version ersetzt, die bereits seit Oktober 1992 in der Baureihe W 124 zum Einsatz kommt und nun ebenfalls ein Resonanz-Schaltsaugrohr und eine Einspritzanlage mit Heißfilm-Luftmassenmessung hat. Dadurch können das Drehmoment erhöht und die Leistungs- sowie Drehmomentmaxima zu niedrigeren Drehzahlen verschoben werden. In Verbindung mit einer zusätzlichen Verringerung der Reibleistung wird der Kraftstoffverbrauch bei geringfügig verbesserten Fahrleistungen insgesamt um 7,5 Prozent reduziert.

Dezente Überarbeitung

Auf dem Genfer Salon im März 1994 präsentieren sich die Limousinen der S-Klasse stilistisch dezent überarbeitet. Eine Reihe von Detailänderungen vermittelt in ihrer Gesamtheit bei unveränderten Abmessungen eine optisch leichtere, wohlproportioniertere und dynamischere Erscheinung. Erreicht wird dies vor allem durch einen ausgeprägten Einzug der unteren Partien von Stoßfängern und Flankenschutzflächen sowie eine horizontale Gliederung dieser Flächen durch eine umlaufende Sicke. Eine veränderte Gestaltung der Scheinwerfer und des Kühlerschutzgitters verstärkt diesen Effekt. Bei den modifizierten Scheinwerfern mit optimierten Freiform-Reflektoren, die eine 60 Prozent höhere Lichtausbeute ermöglichen, ist der Bereich des Abblendlichtes nicht mehr durch einen Mittelsteg vom Fernlichtbereich getrennt, wodurch eine optische Verbreiterung erzielt wird. Farblose Deckgläser der vorderen Blinkleuchten unterstützen diesen Eindruck. Die Sechszylinder- und Achtzylindermodelle erhalten ein neu gestaltetes feingliedriges Kühlergitter mit einer vertikalen Knickkante in der Mitte. Für die V12-Typen kommt gleichzeitig eine eigenständige Ausführung mit verchromten Querlamellen und deutlich verbreitertem Chromrahmen zum Einsatz. Einen wesentlichen Faktor für die harmonische Gesamterscheinung der S-Klasse bildet außerdem die formale Überarbeitung der Heckpartie. So werden die unteren Radien der Kofferraumdeckelfugen analog zu den Coupémodellen abgerundet. Das bisherige Leuchtenband wird im Abschnitt unterhalb der Rückleuchten verbreitert und an die jetzt bichromatisch gestalteten Rückleuchten angeformt. Dadurch wird das Niveau der Kofferraumhöhe optisch abgeflacht, und das Heck erscheint insgesamt breiter und tiefer liegend.

Ab Mai 1995 ist auf Wunsch die Ultraschall-Einparkhilfe „Parktronic“ lieferbar, bei der ein elektronisches Steuergerät den Abstand zu einem Hindernis mit Hilfe von Ultraschallsignalen, die vom Hindernis reflektiert werden, errechnet. Sender und Empfänger der Ultraschallsignale sind in Sensoren zusammengefasst, welche in die vorderen und hinteren Stoßfänger integriert sind. Die Schutzfunktion der Stoßfänger wird dadurch nicht beeinträchtigt. Bei den beiden V12-Modellen gehört die Parktronic seit Mai 1995 zur Serienausstattung. Zum gleichen Zeitpunkt entfallen bei allen S-Klasse-Limousinen die nun nicht mehr erforderlichen Peilstäbe in den hinteren Kotflügeln.
 

Mit „VaMP“ in die Zukunft der Mobilität
 

Vor gut 20 Jahren wird die S-Klasse zum Vorreiter für das autonome Fahren. Als Versuchsfahrzeug für die Technologieerprobung unter Alltagsbedingungen dient ein 500 SEL der Baureihe 140, der so umgebaut ist, dass der Steuercomputer Lenkung, Drosselklappe und Bremsen betätigen kann. Leistungsfähige Rechner werten dazu in Echtzeit Bildfolgen der Fahrt aus, die von zwei Weitwinkelkameras erfasst werden.


„VaMP“ („Versuchsfahrzeug für autonome Mobilität - Pkw“) heißt das Forschungsprojekt, das die Universität der Bundeswehr München, Institut für Systemdynamik und Flugmechanik, mit Mercedes-Benz betreibt. Der 500 SEL bringt den Funktionsbeweis für die Technologie: Im Oktober 1994 legt er auf einer dreispurigen Autobahn im normalen Verkehr mit Geschwindigkeiten von bis zu 130 km/h mehr als 1.000 Kilometer zurück und demonstriert dabei Spurwechsel in beiden Richtungen sowie – nach Freigabe des Sicherheitsfahrers – das autonome Überholen.

Die Versuche sind Teil des europäischen Verbundprojekts PROMETHEUS (kurz für „Programme for European Traffic with Highest Efficiency and Unprecedented Safety“), an dem Mercedes-Benz federführend beteiligt ist. Es stellte eine bis dahin einzigartige Zusammenarbeit aller großen europäischen Automobilhersteller, Zulieferer und zahlreicher wissenschaftlicher Institute dar. Ziel von PROMETHEUS ist es, dem Auto der Zukunft den Weg zu bahnen. Die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit im Oktober 1994 vorgestellt. Längst sind viele Technologien zum Serienstand geworden und aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.

Verbesserte Motoren

Nachdem die im März 1994 vorgestellten Modellpflegemaßnahmen im Wesentlichen das Design betreffen, werden im September 1995 bei den Achtzylinder- und Zwölfzylindermodellen einige technische Verbesserungen wirksam. Ein völlig neu entwickeltes 5-Gang-Automatikgetriebe mit Wandler-Überbrückungskupplung, das seit Mai 1995 bereits im S 600 Coupé zum Einsatz kommt, löst nun auch bei den Limousinen das bisherige 4-Gang-Getriebe mit hydraulischer Steuerung ab. Kernstück dieses technischen Wunderwerks ist eine elektronische Getriebesteuerung, die das Schaltverhalten schnell und selbsttätig jeder Fahrsituation anpasst und mit der elektronischen Motorsteuerung in permanentem Datenaustausch steht. Abgesehen von diesen richtungweisenden Neuerungen, ist das neue Automatikgetriebe auch deutlich kompakter und leichter als vergleichbare Getriebe mit fünf Fahrstufen. Die Motoren werden zur weiteren Senkung des Kraftstoffverbrauchs und der Schadstoff-Emissionen nochmals überarbeitet. Die beiden V8-Triebwerke erhalten zu diesem Zweck eine modifizierte Kurbelwelle, eine optimierte Ventilsteuerung, gewichtserleichterte Kolben, Einzelzündspulen für jeden Zylinder sowie eine verbesserte elektronische Motorsteuerung vom Typ „Motronic ME 1.0“, in die ein Heißfilm- statt des bisherigen Hitzdrahtluftmassenmessers integriert ist. Die konstruktiven Änderungen am V12-Motor fallen weniger umfangreich aus und betreffen lediglich die Zündspulenanordnung und die elektronische Motorsteuerung. Infolge der verschiedenen Modifikationen am Motor und der Verwendung des neuen Automatikgetriebes kann der Kraftstoffverbrauch der V8- und V12-Typen bei unveränderter Leistung um durchschnittlich sieben Prozent, die Schadstoffemissionen sogar um mehr als 40 Prozent reduziert werden. Ebenfalls ab September 1995 steht für alle S-Klasse-Modelle mit Achtzylindermotor auf Wunsch das „Elektronische Fahrstabilitäts-Programm“ (ESP) zur Verfügung, das den Fahrer bei Fahrfehlern unterstützt, indem es sensorgesteuert durch gezielten Bremseingriff dem instabilen Moment entgegenwirkt und damit zur Fahrsicherheit beiträgt. Bei den beiden Zwölfzylindertypen gehört das ESP seither zur Serienausstattung.


Die Pullman-Limousine


Neben den genannten Modellpflegemaßnahmen, die anlässlich der IAA in Frankfurt präsentiert werden, debütiert im September 1995 auch eine neue Variante der S-Klasse: der S 600 lang Pullman, der als neue Staatslimousine mit Sonderschutztechnik entwickelt worden ist und damit an eine langjährige Tradition bei Mercedes-Benz anknüpft. Die verlängerten Oberklasse-Limousinen werden nach dem amerikanischen Fabrikanten George Pullmann, geboren 1831 im Staat New York, benannt. Sein 1881 gegründetes Werk stellte komfortable Schlaf-, Speise- und Salonwagen her. Die Spezialanfertigung misst 6213 Millimeter und einen Radstand von 4140 Millimeter, sie ist damit exakt einen Meter länger als der S 600 mit langem Radstand. Die Verlängerung kommt den Fondpassagieren zugute, die auf bequemen Sitzen in vis-à-vis-Anordnung Platz nehmen und ihr Fondabteil mittels Trennscheibe vom Fahrerbereich abtrennen können.

Die Pullman-Limousine der Baureihe W 140 ist als S 500 und S 600 auch ohne Sonderschutz erhältlich; die ersten Exemplare beider Varianten entstehen im August 1996. Die Bedeutung dieser Staatslimousine in Sonderschutzausführung wird dadurch unterstrichen, dass die nicht gepanzerten Varianten S 500 Pullman und S 600 Pullman im Jahr 1996 von diesem Fahrzeug mit Höchstschutz abgeleitet werden. Üblich ist dagegen, dass die Sonderschutz-Limousinen auf bestehenden Fahrzeugkonzepten basieren. Die Herstellung der Fahrzeuge erfolgt in der Manufaktur des Sindelfinger Werks.

Eine Vorstellung über den Umfang der Schutzausstattung des S 600 Pullman gibt bereits das Gewicht des Fahrzeugs: Während der 1995 vorgestellte Wagen mit Panzerung leer satte 4400 Kilogramm wiegt, kommt die Standardversion der 6,2 Meter langen Staatslimousine auf 2700 Kilogramm. Die Pullman-Limousine darf bis zu 160 km/h schnell sein, Spitze bei der ungepanzerten Version ist 210 km/h.

Die Konstruktion ist erheblich aufwendiger als jene der Nachrüstbetriebe: so wird die Standard Limousine nicht etwa in der Mitte durchgeschnitten um dann ein Mittelstück einzuschweißen, stattdessen wird ein komplett neues Dach auf die auseinandergezogenen Hälften der Rohkarosse gesetzt, der Boden aus drei Pressteilen verlängert und Verstärkungen eingesetzt. Auch die Seitenwand wird nicht geflickt, sondern aus einem Stück geschweißt.

Auch die Lackierung gestaltet sich aufwendig, denn für das Pkw-Tauchlackierbecken in Sindelfingen ist der Pullman zu groß und so werden die Fahrzeuge mit einem Transporter nach Mannheim in die Omnibuslackierung verfrachtet und zwischen Reise- und Stadtbussen im Becken mit Korrosionsschutzlack versenkt. In Sindelfingen werden anschließend die letzten Lackschichten aufgetragen.

Das Projekt entstand, als ein asiatisches Staatsoberhaupt unbedingt gleich drei solcher überlangen Oberklasse-Fahrzeuge haben wollte. Bis April 1998 sind bereits 12 gepanzerte und über 20 Exemplare ohne Sonderschutzausstattung gefertigt worden, weitere 20 Fahrzeuge sind in Auftrag gegeben. Die meisten Kunden sind Regierungsmitglieder, lediglich drei Privatleute bestellten bislang den exklusivsten W140. Die Preise liegen für die ungeschützte Variante bei ca. 500.000 DM, die Sonderschutzausführung kostet gut das Doppelte, je nach Motorisierung und Sonderwünschen. Und die Sonderwünsche sind oft exotisch: gehören Telefon, Fax, Fernseher und Kühlschrank noch zur gewöhnlichen Ausstattung, lässt sich die Manufaktur aber auch nicht in Verlegenheit bringen, wenn Sitze aus Straußenleder oder ein mit kanadischem Eisbärenfell ausgelegter Fußraum geordert werden.

Weitere Aufwertung

Im Juni 1996 wird die S-Klasse erneut aufgewertet. Auch für die Sechszylindermodelle steht nun das neue 5-Gang-Automatikgetriebe mit Wandler-Überbrückungskupplung und elektronischer Steuerung zur Verfügung – beim S 280 auf Wunsch, bei allen anderen Typen als Serienausstattung. Gleichzeitig wird die Antriebs-Schlupf-Regelung ASR auch bei den Sechszylindermodellen in die Grundausstattung übernommen. Erwähnenswerte Neuerungen sind ferner die serienmäßige Ausrüstung aller Modelle mit Sidebags für Fahrer und Beifahrer, eine Sitzbelegungserkennung für die Auslösung des Beifahrer-Airbags, ein „intelligenter“ Regensensor, der das Wischintervall abhängig von der Frontscheibenbenetzung regelt, sowie Gepäcknetze im Kofferraum und Beifahrerfußraum. Xenon-Scheinwerfer mit Scheinwerfer-Reinigungsanlage und dynamischer Leuchtweitenregulierung stehen als Sonderausstattung zur Verfügung. Auch äußerlich präsentieren sich die S-Klasse-Limousinen seit Juni 1996 leicht modifiziert; ins Auge fallen die jetzt in seidenglänzender Wagenfarbe lackierten Anbauteile, die zuvor in Kontrastfarbe gehalten waren.

Außer den beschriebenen Detailverbesserungen wird im Juni 1996 aber auch ein Modellwechsel in der S-Klasse wirksam: Der S 350 Turbodiesel wird durch den S 300 Turbodiesel abgelöst. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger bietet das neue Dieselmodell einen Turbomotor mit Vierventiltechnik und Ladeluftkühlung. Die Motorleistung liegt mit 130 kW (177 PS) um 20 kW (27 PS) höher; das Drehmoment wird um 20 Newtonmeter gesteigert und steht nun über einen breiten Drehzahlbereich zur Verfügung; Schadstoffemissionen und Kraftstoffverbrauch können durch die optimierte Verbrennung deutlich reduziert werden. Der S 300 Turbodiesel wird serienmäßig mit dem elektronisch gesteuerten 5-Gang-Automatikgetriebe geliefert.

Seit Dezember 1996 können die mit Automatikgetriebe bestückten Typen S 280 und S 320 auch mit dem Fahrdynamik-System ESP ausgestattet werden. Gleichzeitig kommt als Weltneuheit eine weitere Innovation zum Einsatz, die ebenfalls der aktiven Sicherheit dient: der Bremsassistent, der ab Dezember 1996 serienmäßig in alle Modelle der Baureihen R 129 und W 140 eingebaut wird. Der Bremsassistent BAS ist in der Lage, Notbremsungen zu erkennen und bei Bedarf automatisch und in kürzerer Zeit als bisher die maximale Bremskraftunterstützung aufzubauen. Der Bremsweg des Fahrzeugs wird dadurch entscheidend verkürzt.

Ein Landaulet für den Papst

Im März 1997 wird eine weitere Variante der Baureihe W 140 fertigt gestellt: der S 500 lang Landaulet, eine Einzelanfertigung für Papst Johannes Paul II. Das Landaulet-Verdeck wird elektrohydraulisch betätigt und gibt den Blick frei auf den Heiligen Vater, der auf seinem mittig angeordneten Thronsessel Platz nimmt. Für zwei Begleitpersonen stehen Klappsitze zur Verfügung.
 

Abschied vom W140

Auf dem Pariser Automobilsalon im September 1998 werden der Öffentlichkeit sechs S-Klasse-Limousinen der Baureihe W 220 vorgestellt, die nach siebeneinhalb Jahren die Nachfolge der Typenreihe W 140 antreten. Im Werk Sindelfingen ist die Serienfertigung der 140er zu diesem Zeitpunkt bereits ausgelaufen; lediglich die Produktion der Sonderschutz-Versionen und der Pullman-Limousinen wird bis Mitte 2000 weitergeführt. Bis September 1998 sind insgesamt 406 532 Limousinen der Baureihe W 140 entstanden, davon 28 101 Einheiten mit Dieselmotor.

Die größte S-Klasse aller Zeiten hatte es, insbesondere zu Beginn Ihrer Karriere und vor allem in Deutschland, trotz ihrer unbestrittenen Qualitäten nie leicht. Zum Abschied erscheint in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 25. August 1998 unter der Überschrift „Das Ende des guten Patriarchen. Sentimentaler Abschied: Die S-Klasse war immer besser als ihr Ruf“ ein Nachruf von Wolfgang Peters, in dem es unter anderem heißt: „Denn kein anderes Auto bot höheren Fahr- und Federungskomfort, und kein anderer Wagen in dieser Größenkategorie ließ sich ähnlich sicher und gleichzeitig agil bewegen. Die S-Klasse war ein Riese, dem man das Tanzen auf den Zehenspitzen beigebracht hatte. [...] Die neue S-Klasse wird ja schlanker und ranker: Uns fehlt der Dicke schon jetzt.“

Daimler AG / mb-w140.de
Stand: 15.03.2016