Kinderkrankheiten

Wer sich einen W140 kaufen möchte, sollte sich nicht durch diesen Artikel abschrecken lassen. Zwar waren die Symptome eine nervige Angelegenheit, die sich für solch ein hochwertiges und teures Auto nicht gehörten, doch kann man davon ausgehen, dass der Erstbesitzer, der für den Wagen einmal viel Geld gezahlt hat, alle Probleme beseitigen lassen hat. Es gab zwar nie eine Rückrufaktion, doch Mercedes handelte sehr kulant und unbürokratisch, wenn ein Kunde Probleme mit dem Vorzeigeprodukt des Konzerns hatte.
Alle Verbesserungen und Änderungen sind nochmals in der Modellgeschichte aufgeführt.

Mitte 1992 führte die Fachzeitschrift auto motor und sport eine Befragung von 405 S-Klasse Fahrern durch, die zusammen eine Strecke von rund 8 Mio. Kilometer (durchschnittlich also 19.400 km) zurückgelegt hatten.
Das Ergebnis war ernüchternd. Der W140 schien unter Kinderkrankheiten zu leiden.
Zwar beurteilten 53,9 % der Teilnehmer die Qualität des Fahrzeuges mit "sehr gut" und 23,7 % mit "gut", doch nur 45,4 %  würden das gleiche Auto "auf jeden Fall" wieder kaufen. Jeder Fünfte sagte, dass das nächste Auto keine S-Klasse sein würde. Nur knapp ein Drittel hatten bis zu diesem Zeitpunkt keine Störungen oder Defekte.

Störfaktor Nummer eins waren die Außenspiegel, sie flatterten und vibrierten bei höheren Geschwindigkeiten, der Klappmechanismus funktionierte nicht, außerdem setzte Rost an. Grund hierfür war ein Zahnrad, das zu groß gefertigt wurde, wovon Fahrzeuge im dritten Quartal des Jahres 1991 betroffen waren. Gegen die Korrosion half eine zusätzliche Bohrung, durch die eingedrungenes Wasser ablaufen konnte. Die Spiegel wurden ab März 1992 in der Serienproduktion verbessert.

Für weiteren Ärger sorgte die Antriebsschlupfregelung (ASR), die ohne erkennbaren Grund im normalen Fahrbetrieb in den Notbetrieb schaltete. Im Februar '92 wechselte Mercedes den Zulieferer für den ASR-Sicherheitsschalter. Dieser erwies sich als nicht ausreichend kontaktsicher, auch das Gehäuse war nicht optimal ausgehärtet, so dass Schmutz eindringen konnte. Rund 8000 Fahrzeuge waren hiervon betroffen, bis ab 12. April 1992 ein geänderter Schalter in die Serie einfloss.

Trotz intensiver Bemühungen in der Entwicklung, Außengeräusche weitestgehend zu isolieren, gab es auch hier zahlreiche Beschwerden.
Grund hierfür waren die Türdichtungen, die im oberen Bereich der Türen, die teilweise Unebenheiten aufwiesen. Werkstätten konnten dies mit wenigen Handgriffen jedoch beseitigen.

Die Bremsanlage sorgte mit Rubbeln, verzogenen Bremsscheiben und Quietschen beim Rückwärtsfahren ebenfalls für Beanstandungen. Ab März 1992 wurden deshalb Bremsscheiben von höherer Qualität und ab Juni zusätzlich verbesserte Bremsklötze verwendet. Gegen das Quietschen half ein Abschirmblech seit April '92.
Beim 300 SE/L trat zusätzlich ein hoher Verschleiß auf, hier wurde nachträglich häufig die Vierscheiben-Festsattelbremse der V8-Modelle nachgerüstet. Die serienmäßige Schwimmsattelbremse wurde letztlich im September '91 bzw. im Januar '92 in Rente geschickt.
 

Ein weiteres Problem im Bereich des Fahrwerks stellten die Reifen dar. Diese waren anscheinend mit dem hohen Gewicht der S-Klasse überfordert. Nach schneller Autobahnfahrt und anschließendem Abstellen des Fahrwerks kam es zu einer Unrundheit in den Reifen, die sich nach einiger Zeit im Fahrtbetrieb jedoch wieder besserte. Mercedes ging gemeinsam mit den Herstellern Continental, Dunlop und Pirelli gegen die "Flat-Spot-Bildung" vor, indem die Karkasse und das Aushärtungsprogramm des Gummis modifiziert wurden.
Selbst in den Trockenkammern eines Lackier-Betriebs kam es zum "Standplatten". Mercedes empfahl daher, für diese Zwecke andere Räder zu montieren.

Für weiteren Ärger sorgten außerdem schlecht eingepasste, klappernde und schlecht schließende Türen und Hauben, sowie defekte Fensterheber, knackende Türschlösser, klemmende Make-Up-Spiegel und leere Batterien, bedingt durch eine nicht abschaltende Innenraumbeleuchtung.
Durch eine Zeitschaltung konnte man diesem entgegenwirken, die sowohl in der Serie eingesetzt wurde, als auch nachgerüstet werden konnte. Gegen das Knacken half eine spezielle Schließöse und der klemmende Make-Up-Spiegel konnte durch eine verbesserte Arretierung gangbar gemacht werden. Ab Januar '92 wurden die Türdichtungen im Fond modifiziert, ab März wurde die Türführung verbessert.


Die Kinderkrankheiten im Überblick:

5%

nicht abschaltende Innenbeleuchtung (Folge: leere Batterie)

4%

Make-up-Spiegel klemmt, öffnet von allein

5,30%

Motorhaube schließt schlecht, verzogen

6%

Klimaanlage defekt oder zu laut

7,20%

Infrarot-Fernbedienung defekt, Servoschließung defekt, Kofferraumschloss schließt nicht

7,30%

Reifenunwucht

9,50%

hoher Bremsen-Verschleiß

10%

Automatikgetriebe schaltet unkontrolliert, schwergängig, defekt

10,20%

defekte oder schwergängige Fensterheber

11,20%

Windgeräusche an den Türen

11,30%

Türen schlecht eingepasst, klappern, Türgummidichtungen lose

12,70%

Antriebsschlupfregelung: Relais defekt, Warnlampe leuchtet auf

13,80%

schwergängige und knackende Türschlösser

17,70%

Bremsen rubbeln, verzogene Bremsscheiben, Quietschen beim Rückwärtsfahren

25,30%

flatternde, vibrierende Außenspiegel mit defektem Klappmechanismus


Weitere Ergebnisse aus der ams-Befragung: